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Caravaggio - Narziss

von Alexandra Tuschka


Dem schönen Narziss wird bereits kurz nach seiner Geburt prophezeit, dass er nur dann lange leben würde, wenn er sich selbst «nicht erkennt». Ein krasser Widerspruch zur sonstigen Ideologie dieser Zeit, denn nicht umsonst stand über dem Orakel von Delphi «Erkenne dich selbst». Der Jüngling, der alle Verehrer und Verehrerinnen ablehnte und verschmähte wurde dafür bestraft: als er eines Tages sein Spiegelbild im Wasser erblickte, verliebte er sich und verzehrte sich so sehr nach sich selbst, dass sein Körper verging. Nicht ohne, dass sich das Orakel erfüllen sollte. Kurz vorher sagt Narziss: Ach, das bin ja ich!

Typisch Caravaggio besticht das Gemälde durch starke Hell-Dunkel-Kontraste, was die Intimität der Szene verstärkt, so dass sie fast zuständlich und meditativ wirkt. Das hell erleuchtete Knie kommt uns unvermittelt entgegen. Narziss kümmert das nicht. Er betrachtet sein Spiegelbild andächtig. Caravaggio gönnt diesem Abbild fast die Hälfte des Bildraumes. Die Fläche schimmert zwar wie Wasser, jedoch ist dieser See hier so still, dass er fast wie ein Spiegel wirkt, der eine aalglatte Spiegelung ermöglicht. Dennoch ist diese ein wenig verblasster. Die Spiegelung des Narziss war für Maler ein willkommenes Sujet, um ihr Können unter Beweis zu stellen. 


Nur die Hände geben uns einen Hinweis, dass tatsächlich eine Flüssigkeit gemeint ist, denn während sich die rechte noch auf dem Festland befindet, ist die linke bereits eingetaucht. Womöglich bezieht Caravaggio sich hier nicht auf die Version in Ovids Metamorphosen, sondern auf eine andere Überlieferung, nach der Narziss in den See gefallen sei und dort ertrunken ist. Verliert dieser Narziss auch in einem Moment das Gleichgewicht? Will er sich gleich vorbeugen und seinem Abbild einen Kuss geben? 


Ein interessanter Aspekt ist auch die Verschachtelung der Realität. Denn wer behauptet denn, dass wir hier Narziss sehen? Viel wahrscheinlicher sehen wir doch das Abbild eines Modells, das für Narziss in Caravaggios Studio gestanden hat. Somit ist bereits dieser Narziss nur ein Abbild der Realität und das gleichberechtigte Spiegelbild ein Abbild dieses Abbildes. Nur gut, dass dieses keinen Spiegel in der Hand hält, denn sonst säßen wir morgen noch hier! 


Caravaggio - Narziss

Öl auf Leinwand, 1594-1596, 110 × 92 cm, Galleria Nazionale d'Arte Antica in Rom

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