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Jacques Louis David - Der Schwur der Horatier

von Alexandra Tuschka


„Roma o Morte – Rom oder Tod“ – dieser berühmte Schwur könnte die Münder der drei Brüder im linken Bildteil gerade verlassen. Ihr Vater steht ihnen entgegen und hält drei Schwerter in die Höhe, sein Blick ist gen Himmel gerichtet.

Die Erzählung, auf die David hier anspielt, geht auf Livius zurück, der von 59 v. bis 17 n. Chr. lebte. Die Episode selbst soll zwischen 672 und 640 v. Chr. stattgefunden haben, einer Zeit, in welcher die Städte Rom und Alba Longa verfeindet waren. Da beide Orte belagert wurden und große Verluste vermeiden wollten, suchten sie jeweils drei Brüder aus, die stellvertretend für die Stadt kämpfen sollten. In Rom sind es die Horatier-Brüder, in Alba die Curatier. Eine belastende Wahl, wie die Frauen rechts zum Ausdruck bringen, denn beide Familien waren eng miteinander verbunden. Sabina, hier vorne zu sehen, ist die Schwester der Curatier, aber verlobt mit dem ältesten Horatier, während Camilla die Schwester der abgebildeten Horatier ist und wiederum mit einem Curatier verlobt. Die Frau im Hintergrund soll die Mutter der jungen Männer sein, die hier ihre Enkel tröstet. Womöglich sind Sabina und Camilla dazu gerade nicht in der Lage.

Auf über 14m2 sehen wir die imposante Szene fast wie auf einer Bühne. Die Anordnung der Figuren im Vordergrund und der bühnenbildartige Hintergrund erinnern an römische Sarkophage und griechische Vasen, die David nachweislich auf seinen Reisen nach Rom studierte. Große Leerräume trennen die Protagonisten. Wir befinden uns in einer Vorhalle, Steinmauern begrenzen das Bild an den Seiten, im Hintergrund sind drei Säulen mit dorischen Kapitellen zu sehen. Viele Fluchtlinien ordnen die Figuren im Raum wie auf einem Schachbrett. Sie laufen auf einen Punkt zu: auf die Übergabe der Schwerter an die Söhne. Hier ist der Aufruf zur Bewaffnung gemeint, er ist Dreh und Angelpunkt des Gemäldes – inhaltlich, aber auch kompositorisch.


Durch die Säulen werden die Personen in drei Gruppen eingeteilt. Links die drei Männer, in den Tiefenraum gestaffelt, tragen ihre Brüderlichkeit und Entschlossenheit auch im Außen zur Schau. Kraftvolle Körper voller Muskeln, pulsierende Venen, prachtvolle Rüstungen, entschlossene Gesichter bringen den eisernen Willen zum Ausdruck. Ein Schritt nach vorne, der Arm gestreckt, bereit das Schwert zu nehmen, bereit für Rom zu sterben. In diesem Bildteil finden wir überwiegend gerade Linien und Ecken vor. Helme, Schwerter und Kleidung orientieren sich an römischen Vorlagen. Dem gegenübergestellt auf der anderen Seite sind die Damen, die in sich versunken sind, den Blick gesenkt. Hier sind die Formen weich. Auch die Farben setzen sich deutlich voneinander ab, da sie in diesem Bildteil sanfter, blasser sind. In der Mitte ist der Vater zu sehen, der die Körperhaltung seiner Söhne spiegelt. Er trägt ein rotes Gewand und ist somit erster Blickfang des Bildes. Obwohl fast alle Personen im Profil gezeigt werden, ist Platz für Individualität: die Männer haben unterschiedliche Gesichter, sind unterschiedlich gekleidet, selbst die Schwerter sind ihren Stärken angepasst. Auch die Helme sind äußerst differenziert herausgearbeitet worden.

Der starke Schlagschatten verstärkt den drastischen Eindruck der Szene und weist auf das kommende Unheil hin. Auch symbolisch hat sich der Schatten der Brüder bereits auf die Mutter gelegt und erzeugt zugleich mehr Tiefenraum. Der wissende Betrachter kennt den tragischen Ausgang der Geschichte: nur einer der Brüder wird lebend zurückkehren, immerhin erfolgreich, da er alle drei Curatier getötet hat. Da seine Schwester Camilla um ihren Verlobten weint und damit vermeintlich die eigenen, toten Brüder verrät – ersticht er diese.


Das Gemälde war Davids erster königlicher Auftrag im Jahr 1784. "Der Schwur der Horatier" wurde auch im Salon in Paris ausgestellt und irritierte die damaligen Sehgewohnheit so dermaßen, dass die Öffnungszeiten am Ausstellungstag ausgedehnt wurden, weil so viele Besucher das Werk sehen wollten. Im Kontrast zu dem vorherrschenden Stil des Rokokos, der verspielte, harmlose, leichte und oft höfische Themen zeigte, orientiert sich David hier an Lehren der Antike sowie der Auffassung, dass ästhetische, universelle Konzepte auf Bilder angewendet werden können. Wir sehen in diesem Werk ein äußerst überlegtes und durchstrukturiertes Bild, was nichts dem Zufall überlassen hat. Das macht es zu einem Paradebeispiel für den – später so betitelten - Klassizimus. Das Bildthema ist die politische Treue bis über den Tod hinaus, auch auf Kosten der Familie. Dem Zeitgeist entsprechend erfüllte die Männer mit Stolz. Diese Botschaft wurde dann – entgegen den Interessen des ursprünglichen Auftraggebers König Ludwig der XVI. – von den Revolutionären in ihrem Sinne umgedeutet, so dass das Gemälde zu jeder Zeit starken Anklang fand und auch als Aufruf zum Widerstand verstanden werden konnte. Die deutliche Verwendung von Rot, Blau und Weiß erinnert auch an die Farben der Tricolore, die nur 5 Jahre später zum Symbol der Französischen Revolution wurde.


Jacques Louis David - Der Schwur der Horatier

Öl auf Leinwand, 1794, 330 x 425 cm, Musée de Louvre in Paris


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