von Alexandra Tuschka
Das nennen wir mal ein reduziertes Bildthema! Es ist tatsächlich nicht viel mehr zu sehen, als der Gemäldetitel vorgibt. Und rührt uns dieses Bild an. Es ist eins der Programmbilder italienischer Romantik . Ein Mann und eine Frau küssen sich. Ihre Gesichter sind kaum zu erkennen, da sie vom Schatten des Hutes verdeckt werden, den der Mann auf dem Kopf trägt. Beide tragen mittelalterliche Gewänder. Was erkennbar ist, ist die Hingabe zueinander, auch ausgedrückt durch die Zärtlichkeit, mit der beide sich berühren. Kaum erkennbar hat der Mann sein linkes Bein auf die Steintreppe gestellt und öffnet so seinen Körper ganz dem der Dame. Durch diesen Schritt wird zugleich sein Mantel gehoben und gibt einen Blick auf einen Dolch frei. Und noch weniger gut erkennbar, ist die dritte eingeschlichene Figur, die sich links als Umriss im schattigen Torbogen befindet.
Dies ist eins, der vermutlich am häufigsten reproduzierten Gemälde aus dem Italien des 19. Jahrhunderts. Der scheinbar spontane Gestus meint vermutlich eine politische Allegorie : Den Bruderkuss zwischen Frankreich und Italien. Solche Allegorien waren typisch für das Italien dieser Zeit und griffen oft auf historisierende Elemente, wie die Mittelalter-Kleidung zurück. Die Farben der Flaggen Italiens und Frankreichs werden in diesen wiederaufgegriffen.
Francesco Hayez - Der Kuss
Öl auf Holz, 1859, 112 × 88 cm, Pinacoteca di Brera in Mailand