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Francisco de Goya - Die Strohpuppe

von Julia Kynast


Das hochformatige Gemälde «El Pelele» ist Teil einer Serie von Wandteppichentwürfen, die der spanische Maler Francisco de Goya 1791/92 für die privaten Räume des Königs Carlos IV. in Madrid malte. Heute befindet sich die 267 cm x 160 cm große Leinwand im Museo del Prado.

Der Karton ist in drei Bereiche geteilt. Fast die gesamte obere Bildhälfte wird von einem wolkenverhangenen Himmel eingenommen. Im mittleren Bildbereich befinden sich vier Frauen in andalusischer Tracht, sogenannte «Majas». Sie werfen auf einem gespannten Stofftuch eine männliche Gestalt, eine maskierte Strohpuppe in die Luft. Diese hält sich aufrecht, während ihre Beine in unnatürlicher Weise weg vom Körper weisen. Der rechte Fuß ist nach außen verdreht und ihre Arme hängen gerade nach unten. Durch den auf die Schultern gekippten Kopf und die leeren Augen gleicht sie einer menschlichen, ausgestopften Hülle. Ihr Gesicht ist stark bemalt. Wangen, Kinn und Lippen stechen durch intensive Rottöne hervor. Die Puppe trägt einen dunkelblauen simpel geschnittenen Frack mit Kragen, wie er zu dieser Zeit sowohl in England als auch in Frankreich modern war, eine rotbraune Culotte sowie flache Schnallenschuhe. Ihre langen, braunen Haare sind zu einem Zopf nach französischer Manier geflochten, was sie als französischen Modenarr zu erkennen gibt. Die Strohpuppe dient dem Vergnügen der um das bräunlich verblichene Stofftuch versammelten Majas.


Deren Mienen wirken jedoch unnatürlich starr bis übertrieben heiter, was dem dargestellten Spiel eine angespannte Stimmung verleiht. Der Maler Francisco de Goya bezog sich in diesem Gemälde einerseits auf die spanischen Karnevalsbräuche, bei denen die Menschen – bis in die heutige Zeit – jedes Jahr zu Aschermittwoch, Strohpuppen aller Art erst auf Decken in die Lüfte werfen und später als Höhepunkt der Feierlichkeiten verbrennen. Andererseits setzte sich der Maler hier kritisch mit den gesellschaftlichen Themen seiner Zeit auseinander. Dabei thematisiert er durch die Darstellung der französisch gekleideten Puppe, die an Frankreich orientierte Modeverliebtheit des spanischen Königshofs sowie die Macht der Frauen über die männliche Figur. Der Kunstkritiker Robert Hughes erkennt darin einen „bissigen Kommentar“ des Künstlers, den er als Sorge vor dem Verlust der traditionellen spanischen Männlichkeit deutete. Denn die Frauen, die bis in das 18. Jahrhundert fast vollständig vom öffentlichen Leben ausgeschlossen waren, begannen sich nun zu emanzipieren. Eine bedeutende Rolle für diesen gesellschaftlichen Wandel nahm dabei der spanische König Carlos III. ein, der den Frauen in den 1780er Jahren den Zugang zu schulischer Bildung sowie zur Arbeitswelt ermöglichte, was als Grundlage ihres neu entstandenen Selbstbewusstseins angesehen werden kann. 



Francisco de Goya - Die Strohpuppe

Öl auf Leinwand, 1791-92, 267 x 160 cm, Museo del Prado in Madrid


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