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George Stubbs - Whistlejacket

von Dr. Stefanie Meier-Kaftan


Als Subjekt hat das Pferd in Darstellungen eine lange Tradition und wird darüber hinaus in der Mythologie und Geschichte unterschiedlich gedeutet. Es steht für Kraft, Vitalität, für den Sieg, aber auch für den Hochmut und die Wollust und gilt als Attribut der Europa.(1) Dieser außergewöhnliche Vierbeiner ist ein ständiger Begleiter des Menschen. Beginnend mit den ersten Höhlenmalereien um 15000 v. Chr. bis hin zu den abstrakten Darstellungen eines Pablo Picasso oder den gefühlvollen Bildnissen eines Franz Marc im 20. Jahrhundert reicht die Pferdedarstellung. Und unter all diesen Thematisierungen des Pferdes innerhalb Ihres jeweiligen Oeuvres hebt sich der englische Maler George Stubbs besonders hervor. Sein darstellender Umgang mit diesem Geschöpf ist einzigartig – denn er betrachtete es sowohl in anatomischer als auch in künstlerischer Hinsicht gleichermaßen liebevoll.

George Stubbs gehört neben Benjamin Marshall zu einem der bekanntesten englischen Tiermaler des 18. Jahrhunderts. Stubbs’ Zeichnungen von Pferden und Hunden erfreuten sich großer Beliebtheit beim Adel als auch bei dem reichen Bürgertum. Ausgehend von der Tradition der Niederländer führte Stubbs das Tiergenre in England, früher als auf dem Kontinent, zu hoher Selbstständigkeit.(2) In England werden in den Pferdedarstellungen meist auf Schnelligkeit und langen Schritt gezüchtete Halb- und Vollblüter gezeigt. Das englische Vollblut wurde bereits im 17. Jahrhundert auf Schnelligkeit hin gezüchtet und gilt seither als die berühmteste und eleganteste aller Pferderassen. Eine Wertschätzung des Pferdes gab es in England besonders ab dem 17. Jahrhundert. Es erlangte einen Beliebtheitsstatus wie kaum ein anderes Tier. Das hatte vermutlich mit seinem Nutzen für die – besonders in England – beliebte Jagd und den Rennsport zu tun.


George Stubbs wurde am 24. August 1724 in Liverpool, England geboren. Sein Vater war ein erfolgreicher Lederzurichter. Wahrscheinlich betrieb er eine Sattlerei und unternahm auch dafür notwendige Gerberarbeiten. Sein Vater beugte sich dem künstlerischen Willen von Stubbs und erlaubte ihm mit fünfzehn Jahren Zeichenunterricht für einen Schilling am Tag bei dem Warringtoner Portraitmaler Hamlet Winstanley (1968-1756) zu nehmen. George Stubbs verstarb kurz vor seinem 82. Geburtstag am 10. Juli 1806 in London.


Stubbs’ Werk zeichnet sich zum einen durch seine bis in das kleinste Detail anatomisch durchgestalteten Pferdedarstellungen sowie zum anderen durch Vielseitigkeit aus. Er zeichnete neben Pferde- und Reiterdarstellungen, Jagdszenen, Hunde, exotische Tiere und Portraits. Sein Schaffen durchstreift bezüglich der Materialität die Ölmalerei auf Leinwand über die Emaille-Arbeiten auf Kupfer und später auf Porzellanplatten bis hin zu druckgrafischen Werken. In Stubbs’ Oeuvre findet sich häufig die Verbindung von Mensch und Pferd oder besser von Pferd und Mensch, (3) denn die Pferde stehen in seinen Bildern fast immer im Zentrum seines Interesses und wurden dementsprechend auf hohem künstlerischem Niveau dargestellt.


Trotz einiger Berühmtheit, die er bereits zu Lebzeiten erfuhr, wurde George Stubbs die Bezeichnung als einer der großartigsten und berühmtesten britischen Künstler erst 1997 vollends zuteil, als die National Gallery in London sein lebensgroßes Portrait des berühmten Pferdes Whistlejacket erwarb und der breiten Öffentlichkeit zugänglich machte. Ursprünglich diente Whistlejacket als Vorlage für ein geplantes Reiterportrait von George III. Einer seiner ersten und wichtigsten Förderer, der Marquess of Rockingsham beauftrage Stubbs um 1762 herum, dieses Bild als Pendant zu einem von ihm bereits erworbenem Pferdeportrait anzufertigen. Was ursprünglich als Reiterportrait gedacht war, um die Macht und Autorität des Herrschers auszudrücken, führte letztlich dazu, dass Whistlejacket allein im Fokus des lebensgroßen Bildes stand.


Wir sehen das Pferd im Zentrum des Bildes in aufgebäumter Haltung, die beiden Vorderläufe dabei in der Luft. Sein Schweif und seine Mähne scheinen durch die Haltung leicht in Bewegung zu sein. Das Pferd steht dort gänzlich ohne Reiter, Sattel und Zaumzeug und auch ohne jegliche Landschaft im Hintergrund. Es verkörpert als Sinnbild das Tier als eigenständiges Lebewesen. Sein goldgelbes Fell und seine helle Schweif- und Mähnenfärbung sind typisch für die Fellfarbe Palomino und hebt sich vor dem goldgrauen Hintergrund sehr gut ab. Der Lichteinfall ist schwer auszumachen, da beim Pferd selber nur einen sehr kurzen Schatten an den Hinterläufen sowie im Halsbereich zu sehen ist. Sehr gut erkennen, lassen sich Stubbs detailgetreue und naturnahe Malweise dadurch, dass beispielsweise Muskelpartien und insbesondere der Kopfbereich des Pferdes anatomisch korrekt bis ins kleinste Detail dargestellt ist. Die Detailliebe reicht so weit, dass deutlich zu erkennen ist, dass die Hufe mit Hufeisen beschlagen sind. Die weit geöffneten Augen und Nüstern lassen annehmen, dass das Temperament des Pferdes wild und ungestüm ist. Dies unterstreicht nochmals den individuellen Charakter dieser Pferdedarstellung.


1 Vgl. Zuffi, Stefano [Hrsg.]: Die Natur und ihre Symbole. Pflanzen, Tiere und Fabelwesen. Bildlexikon der Kunst Band 7. Berlin 2005. S. 257.

2 Vgl. Olbrich, Harald [Hrsg.] u. w.: Lexikon der Kunst. Band 5, Leipzig 2004. S. 553.

3 Vgl. Mayoux, Jean-Jacques [Hrsg.]. S. 95.


George Stubbs - Whistlejacket

Öl auf Leinwand, 1762, 292 x 246,4 cm, National Gallery in London

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