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Henri Rousseau - Ich selbst. Porträt-Landschaft

von Lucie Klysch


Henri Rousseau hat noch vor Beginn des 20. Jahrhunderts ein Werk geschaffen, das möglicherweise weit weniger einfach ist, als es auf den ersten Blick erscheint. Er ist vor allem für seine naiven Dschungelbilder bekannt. Das kindlich Anmutende, dass seiner Malerei innewohnt, war lange Zeit die einzige Eigenschaft, die seinen Werken bescheinigt wurde. Nur wenige Künstler sind zu Lebzeiten mehr verspottet worden als Rousseau.

Das bekannteste Selbstbildnis Rousseaus wurde 1890 unter dem Titel "Ich Selbst. Porträt-Landschaft" im Salon des Indépendants in Paris ausgestellt. Dominant auf einem farblich neutral gehaltenem Grund erstreckt sich Rousseaus Silhouette riesenhaft und triumphierend in schlicht-festlichem Schwarz. Er schaut mit ernster Miene. Auf der Farbpalette, die er in seiner rechten Hand hält, stehen die Namen seiner Geliebten Clémence und Josephine. Ihnen widmete er seinen Willen zum Malen. In diesem eigentümlichen Frühwerk scheint Rousseau noch etwas unbeholfen gewesen zu sein. Es gelingt ihm nicht, die Füße in der richtigen Perspektive zu malen. Eindeutig sind die Retusche-Spuren zu erkennen. Somit erweckt die Figur den Eindruck in der Bildmitte ikonenhaft zu schweben. Obwohl er als Autodidakt große Stücke auf die künstlerische Ausbildung der Akademien hält, spricht sein durch und durch naiver Stil gegen alles was als typisch akademisch in der Malerei gilt. In seinem Selbstporträt stechen besonders die nahezu zweidimensionale Frontalität und die dazu im Kontrast stehenden fein ausgearbeiteten gegenständlichen Details ins Auge. Genau diese Ambivalenz wird später, vermutlich weniger beabsichtigt, zu seinem künstlerischen Markenzeichen.


Im Hintergrund sind eindeutige Verweise auf das aktuelle Zeitgeschehen angeordnet. Zurückgedrängt durch die zentrale Figur in der Bildmitte, erscheinen die Randfiguren und Gegenstände miniaturhaft. Die abstrakt farblich gestalteten Flaggen weisen auf die bahnbrechende Weltausstellung von 1889 hin und auch der gerade erst errichtete Eiffelturm steht stellvertretend für den Beginn des modernen Industriezeitalters. Die sonderbare Wolkenformation, die gut ein Drittel des Bildes bestimmt, greift die Form des Baretts und die Farbe der Stirn auf. Auch hier ist die sehr feine und präzise Ausarbeitung beträchtlich. Realismus und Symbolismus scheinen sich hier zu verbinden.


Auf zweierlei Hinsicht ist dieses Gemälde der Beweis für Rousseaus unermüdlichen Ehrgeiz. Einmal ist es die Anmaßung eines unbekannten Künstlers, sich in derart herausfordernder Pose stellvertretend für die Malerzunft zu präsentieren. Zum Anderen sind es die Gegenstände im Hintergrund, die ausdrücklich auf die Erfindung einer neuen Gattung hinweisen. Der moderne Eiffelturm war alles andere als ein akademisches Motiv, erst Jahre später malte ihn Georges Seurat und wurde zum Hauptmotiv von Robert Delaunay. Die aus mehreren Teilen zusammengesetzte Vedute ist in ihrer Kombination ein weiteres persönliches Bekenntnis Rousseaus und kann ebenfalls als Verweis auf seine Selbstinterpretation gelesen werde. In diesem Gemälde stellt sich Rousseau so dar, wie er sich selbst gerne gesehen hat. Als selbstbewusster Maler, der seine Kunst beherrscht. Persönlichkeit, Kunst und Ruhmeswunsch Rousseaus werden in diesem Selbstporträt raffiniert veranschaulicht. Der eigensinnige Wechsel von Größe und Perspektive erzeugt einen tiefgreifenden symbolischen Sinnzusammenhang. Das macht ihn heute zu einem gefeierten Wegbereiter der Moderne. Was die Fauvisten, Kubisten und Futuristen als radikalen Bruch der Konventionen bezeichneten, praktizierte Rousseau ganz selbstverständlich.



Henri Rousseau - Ich selbst. Porträt-Landschaft

Öl auf Leinwand, 1889-1890, 146 x 113 cm , Nationalgalerie in Prag


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