von Alexandra Tuschka
Wir kennen es alle – Gustav Klimts goldenes Gemälde „Der Kuss“. Mit den Maßen 180 x 180 cm ist es ein klassisches Quadrat - ein seltenes Format - in dessen Mitte ein Mann und eine Frau angeordnet sind. Interpretationen, nach denen hier Klimt selbst und seine langjährige Partnerin Emilie Flögge zu sehen seien, können nicht gänzlich überzeugen.
Im Jugendstil , wofür dieses Gemälde ein Hauptwerk darstellt, wurde das Leinwandleben dekorativ. Auch hier ist ein Kuss nicht nur ein Kuss, sondern wird in eine pompöse, goldene Umgebung gebettet; eine ornamentale Blumenwiese klettert von links ins Bild. Genau genommen war der ursprüngliche Gemäldetitel „Ein Liebespaar“ treffender, da der Mann der Frau nur einen Kuss auf die Wange gibt und über den Gemütszustand der Dame gestritten werden darf – ist es Hingabe? Ist es Unterwürfigkeit?
Das Mädchen kniet, ihr Kopf ist nach hinten geneigt und ihre Augen sind geschlossen. Mit ihrem rechten Arm umfasst sie die Schultern des Mannes. Dieser hingegen steht und hat das Gesicht der Frau mit beiden Händen zu seinem herangezogen. Diese Unterscheidung von aktivem und passivem Pol wird auch durch die Ornamente unterstützt – diese muten auf der linken Seite klarer und härter an, auf der rechten weicher und verspielter. Beide Geschlechter sind auch in ihren Formen voneinander getrennt – im Kuss, der sie golden umschließt, finden sie zu einer Einheit.
Gustav Klimt - Der Kuss
Öl auf Leinwand, 1908/09, 180 cm × 180 cm, Österreichische Galerie Belvedere in Wien