von Alexandra Tuschka
Heute wirkt es wie nur einer von vielen Sonnenaufgängen, die wir von den Impressionisten kennen. Aber zum Zeitpunkt seiner Entstehung war das Gemälde ein Schock. Die anerkannte, zeitgenössische Malerei hatte eine andere Richtung eingeschlagen – es ging um Wirklichkeitstreue, um Fotorealismus.
Doch die Malergruppe, zu der auch Monet zählte, stellte sich andere Fragen. Ist das Meer am Morgen das gleiche wie am Abend? Ist das Meer im roten Licht das gleiche wie im gelben Licht? Die eigene Empfindung zu schulen und nicht sie auszuschalten war die Motivation dieser Künstler.
Es galt den ständigen Veränderungen des Lichtes, des Windes, der eigenen Empfindung mit Schnelligkeit entgegen zu halten. „Impression, Sonnenaufgang“ wirkt, als sei es in nur kurzer Zeit entstanden und ganz intuitiv und unmittelbar vom Auge in die Hand übersetzt worden.
Wir sehen den Hafen von Le Havre am Morgen. Im Vordergrund sind noch die dunklen Umrisse einiger Boote scharf zu erkennen; hinten werden die Formen so abstrakt aufgefasst, dass sie sich nur mit einiger Mühe zu Schiffen und Fabrikschloten zusammenfügen. Nur die runde, rötliche Sonne überblickt das Geschehen als klar definierter Kreis. Sie ist es auch, die orange-farbene Reflektionen in die sonst bläulich, und vernebelte Umgebung wirft.
Den Titel „Impression“ gab Monet dem Werk spontan, als er gefragt wurde, welcher Titel im Ausstellungskatalog erscheinen soll: „Da ich das Bild schlecht ‚Ansicht von Le Havre‘ nennen konnte, sagte ich: „Nennen Sie es Impression.“ Dieser Beiname wurde von den Kritikern spöttisch aufgenommen. So nannten sie die Ausstellung der Künstlergruppe abschätzig „Exposition des Impressionistes“ - und riefen damit einen Stilbegriff ins Leben, der den Lauf der Zeit überdauert hat.
Claude Monet - Impression, Sonnenaufgang
Öl auf Leinwand, 1872, 48 cm × 63 cm, Musée Marmottan Monet in Paris