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Peter Paul Rubens - Das Parisurteil

von Alexanda Tuschka


Ein Bauernjunge sitzt auf einem Felsen. In seiner rechten Hand hält er einen Apfel, den er den drei hübschen Frauen im linken Bildteil präsentiert. Diese sind dabei sich zu entkleiden um ihre Vorzüge gekonnt in Szene zu setzen. Eine nach der anderen wird ausgiebig gemustert. Der goldene Apfel – er ist es, um den es den Damen in diesem Bild geht. Denn er ist die Trophäe, die der Jüngling letztlich der schönsten von Ihnen überreichen wird. Aber wie kam es zu diesem heiklen Wettstreit?

König Peleus und die Nereide Thetis heiraten – aus Liebe. Zu diesem Anlass wird ein großes Fest bereitet, zu dem alle olympischen Götter eingeladen sind – mit nur einer Ausnahme: auf die Anwesenheit der Göttin der Zwietracht, Eris, wollte das Brautpaar aus nachvollziehbaren Gründen verzichten.


Das Fest ist in vollem Gange, als die ausgeschlossene und gekränkte Eris auftaucht, einen goldenen Apfel unter die Feiernden wirft und wieder verschwindet. Der Apfel trägt die Inschrift „kallistá“ - „der Schönsten“. Der niederländische Künstler Joachim Wtewael (Joakim Eute-wal) zeigt die Hochzeitsgesellschaft kurz vor diesem Moment. Eris ist bereits am Himmel aufgetaucht, in der Hand den goldenen Apfel. Mehr als 50 Personen kann man auf dem kleinformatigen Gemälde zählen; zu diesem Zeitpunkt hat jedoch noch keine von ihnen die wütende Eris bemerkt. In der Bildmitte befindet sich die nackte Aphrodite, die sich in den Armen des Kriegsgottes Ares sichtlich wohl fühlt. Der kleine Amor neben ihr zielt mit einem seiner Liebespfeile auf ihr Herz. Auch andere Paare sind in engen Umarmungen zu sehen. Wein fließt in rauen Mengen. Nur die Szenen im Hintergrund verweisen schon auf den Ausgang dieser Geschichte, indem hier bereits das Parisurteil als Simultanszene integriert wurde... Doch der Reihe nach: mitten in der heiteren Stimmung fällt der Apfel aus Eris Hand...


Bald entbrennt ein Streit unter den Göttinnen, wem dieser Apfel zustehen würde. Gleich drei Damen beanspruchen den Titel für sich: Hera, Athene und Aphrodite. Zeus, der sich aus dem Streit heraushalten will, bestimmt den unschuldigen und sterblichen Jüngling Paris stellvertretend diese Entscheidung zu treffen. Der Götterbote Hermes bringt die drei Damen zu dem Unwissenden, der seine Schafe gerade auf dem Berg Ida hütet. Aber wie für eine entscheiden? Alle drei Damen sind so unwahrscheinlich schön.

Die Göttinnen bemerken das Zögern des Hirten und beginnen Paris zu bestechen. Hera verspricht ihm die Herrschaft über die Welt, Athene eine Kriegskarriere und Weisheit - Aphrodite aber verspricht Paris die Liebe der schönsten Frau der Welt – Helena. Das Objekt der Begierde ist jedoch zu diesem Zeitpunkt schon mit König Menelaos verheiratet. Dennoch ist dieses Angebot unwiderstehlich - Paris überreicht den Apfel an Aphrodite. Eine Entscheidung mit Folgen: Die gekränkte Hera schwört Paris und den Trojanern ewige Feindschaft – der Beginn der Trojanischen Kriege ist hiermit besiegelt.


Rubens Version des Themas zeigt die uneinigen Damen im linken Bildteil, Hermes und Paris rechts gegenübergestellt. Paris ist unverkennbar als Hirte ausgezeichnet. Seinen Hirtenstock hält er zwischen seinen Beinen, sein Hund hat es sich zu seinen Füßen bequem gemacht und die Schafe im Hintergrund weiden unbeteiligt auf den grünen Wiesen. Hermes ist durch seine Attribute ebenfalls gut zu erkennen: der geflügelte Helm, der Hermesstab und ein flatterndes Gewandt zeichnen ihn als den Götterboten aus. Er lehnt gemütlich an einen Baum; auch er kann den Blick kaum von den Schönheiten abwenden. Paris hingegen hat sich nun entschieden und deutet der mittleren Frau an, dass sie den Apfel annehmen darf. Er sieht allerdings alles andere als entschlossen aus, ein wenig Zaghaftigkeit spiegelt sich in seiner Mimik.


„Kallistá“ - der Schönsten. Es ist nicht Athene, die im linken Bildrand gerade ihr Gewand über den Kopf zieht. Die Kriegsgöttin ist mit Schild und Speer erschienen. Da Homer Athene als „Eulenäugig“ beschrieb, sitzt dieses Tier als ihr Attribut neben ihr auf einem Ast.


Es ist auch nicht die frauliche Hera, die dem Betrachter hier den Rücken zudreht. Sie umhüllt Teile ihres Körpers mit einem purpurnen Mantel. Ihr Hauptattribut, der Pfau, schlängelt sich zwischen den Göttinnen entlang. Aphrodite zeigt ungläubig auf ihre Brust. Soll tatsächlich sie gemeint sein? Sie hat mit ihrer Anmut und ihrer Schönheit, womöglich beeinflusst durch das Versprechen, was sie Paris gab, den Hirten für sich gewinnen können. Auch Hermes scheint von Aphrodite angetan. Blickkontakte lassen sich nur zwischen den Männern und ihr ausmachen und vermitteln so auch kompositorisch den Eindruck, dass sie die schönste der drei Frauen sei. Hermes und Aphrodite sollten später gar ein gemeinsames Kind bekommen. Hier allerdings ist sie nur in Begleitung eines kleinen Putti zu sehen.


Doch wieder einmal hat sich die Streitgöttin Eris in die Szene gemischt. Am durchbrochenen Himmel erscheint sie mit einer Schlange und einer brennenden Fackel. Sie symbolisiert den nun herannahenden Krieg. Mit der goldenen Fackel erinnert Eris an eine Prophezeiung. Paris Mutter, die Königin Hebake, träumte, dass sie eine goldene Fackel gebären würde, die Troja vernichten sollte. Aus Angst vor der Erfüllung setzte sie ihren neugeborenen Sohn aus. Jedoch fanden Bauern den kleinen Paris, hatten Mitleid und zogen ihn zu einem Hirten heran. Es sollte sich bewahrheiten – Paris und die verheiratete Helena würden sich verlieben; Helena würde mit Paris fliehen; ihr Mann, Menelaos, würde ein Heer zusammenstellen und die Entflohenen verfolgen – Krieg wäre ausgebrochen.


Da diese antike Episode und deren Ausgang dem Bildbeschauer vermutlich bekannt sind, fallen bei Rubens die Fällung des Urteils und die Erfüllung der Prophezeiung in einem Moment zusammen. Die „Rubensfrau“, Damen mit üppigen und weiblichen Rundungen, sehen wir hier gleich drei Mal. Gewissermaßen stufen diese sich in den Tiefenraum des Gemäldes ab, indem sich eine der Frauen frontal zeigt, eine im Profil und eine von hinten. Die Körperformen ähneln sich; auch die Haarpracht - Paris hat wahrlich keine leichte Aufgabe vor sich.


Mindestens neun Versionen hat der Flame Rubens von dieser mythologischen Geschichte gemalt. Die hohe Beliebtheit des Sujets zeigt sich in der großen Anzahl der überlieferten Werke mit diesem Thema. Besonders gehäuft finden wir sie in der Renaissance . Das Thema bot die Möglichkeit schöne, nackte Frauenkörper in einer angenehmen Naturumgebung zu zeigen.

Peter Paul Rubens - Das Parisurteil

Öl auf Holz, 1632 und 1635, 144,8 x 193,7 cm, National Gallery in London


Joachim Wtewael - Das Götterfest

Öl auf Holz, 1612, 36,5 x 42 cm, Clark Art Institute

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