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Stefan Lochner - Madonna in der Rosenlaube

von Alexandra Tuschka


Der Goldgrund verrät zwei Dinge: einerseits fühlt sich das Gemälde der mittelalterlichen Formsprache verpflichtet und andererseits handelt es sich hier um ein höchst kostbares Thema — Mutter Maria mit dem Jesusknaben. Freilich trägt sie die Madonnenfarbe blau, denn diese war einer der teuersten Herstellungsstoffe im Mittelalter und daher mit der Mutter Gottes verbunden. Zudem symbolisiert die Farbe den Himmel. Maria ist hier durch ihren Schmuck als Herrscherin ausgezeichnet; über ihrem Kopf entsendet Gottvater den Heiligen Geist in Form einer Taube. Die gesamte Szene ist noch von Engeln belebt. Vier von ihnen, unten, musizieren; andere wiederum greifen nach Früchten oder Blüten. Die Ranken, an denen sich rote Rosen befinden, geben dem Gemälde seinen Namen.


Die Laube ist der «hortus conclusus», der abgeschlossene Raum, der als Paradies dient. Im vierten Hohelied der Bibel, einem allegorischen Liebesgedicht, heißt es: "Meine Schwester, liebe Braut, du bist ein verschlossener Garten, eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Born." Auf diese Zeilen bezog sich die im 12. Jahrhundert aufkommende, theologische Interpretation, dass mit dem Garten Maria gemeint sein könnte und mit dem Eindringen in den Garten die unbefleckte Empfängnis. Das macht Jesus zu dem Eindringenden. Maria und der Garten wurden gleichgesetzt und fanden dann auch in der bildenden Kunst des Mittelalters und der Renaissance Verbreitung. Der „hortus conclusus“ bezeichnet diesen geschlossenen Garten. Dieser feste Terminus ist eng verwandt mit dem „Paradiesgärtlein“ und nimmt einen festen Platz in der Mariensymbolik ein.


Zwei Engel im oberen Bildrand ziehen die Vorhänge beiseite und präsentieren uns einen Blick, der nicht jedem Betrachter zuteil wird. Maria schaut bedächtig zum Boden. Ihr Kleid wirft, typisch für diesen Typus, in einer Dreieckskomposition weiche Falten. Lochner arbeitet hier mit intensiven Schattierungsabstufungen. Interessanterweise tupfte er dafür die Farbe dicht nebeneinander und erzielte so eine stärkere Dichte und Tiefe bzw. einen dunkleren Effekt. Das war ein Novum und wurde nur bei besonders bildwürdigen Motiven vom Künstler eingesetzt. 

In diesem Werk ist fast alles, was man sieht, bedeutungsschwanger: im Heiligenschein der Protagonistin werden Aspekte der zeitgenössischen Darstellungen von Mondzyklen aufgegriffen. Und in der Brosche werden Einhorn und Jungfrau in ähnlicher Verbundenheit gezeigt, wie Mutter und Kind. Das Einhorn konnte nur von einer reinen Jungfrau gefangen werden. Jesus, der eine Frucht entgegennimmt nimmt im übertragenen Sinne auch sein Schicksal mit dieser Geste an. Da es sich hier um einen Apfel handelt, verweist dies freilich auch auf den Sündenfall und stellt Jesus als Nachkommen Adams dar, der die Erbsünde, die seit diesem Tage auf den Menschen lastet, endlich aufzulösen vermag. Weiterhin finden wir allerhand symbolhafte Motive, die von einem Kleriker seinerseits wohl verstanden werden konnten. Die weiße Lilie steht für die Reinheit der Dargestellten, Rosen als Symbol der Liebe und des Todes. Zu Marias Füßen, auf dem grünen Rasen, finden wir Erdbeeren; eine Pflanze, die durch ihre Dreiblattrigkeit auch ein Symbol für die Trinität ist. Auch die Geste des umschlossenen Handgelenks beim Jesusknaben verweist auf zeitgenössische Hochzeitsrituale. 


Das Werk wurde häufig kopiert und heißt im Volksmund auch «Die kölsche Mona Lisa». Dass wirklich Stefan Lochner dieses Werk gemalt hat, kann man nicht eindeutig sagen, aber stark vermuten. Im Mittelalter waren Künstler noch Handwerker und signierten ihre Werke selten. Durch Albrecht Dürer, der einen Kölner Meister erwähnt, konnte man Lochner jedoch auf die Spur kommen. 


Stefan Lochner - Madonna in der Rosenlaube

Öl auf Eichenholz, um 1440 – 1442, 50,5 x 40 cm , Wallraf-Richartz-Museum in Köln

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