Motive, Symbole, Figuren
Was ist die "Hierarchie der Gattungen"?
Heutzutage scheint in der Kunst alles erlaubt zu sein und vor allem auch alles seinen Stellenwert zu haben. Das war aber nicht immer so. Lange Zeit wurden die Gattungen der Kunst in eine Hierarchie eingeteilt, mit der man den Wert des Abgebildeten bemessen konnte. Davon abhängig war dann natürlich auch die Preisvergabe und das akademische Ansehen eines Künstlers oder eines Werkes.
Diese Methode kam erstmals in den europäischen Akademien der Renaissance auf, und wurde 1669 das erste mal in Frankreich schriftlich festgehalten. Die Einteilung lässt sich grob so nachvollziehen: Es wird von dem Belebten hin zum Unbelebten und vom moralisch wertigem zum moralisch unwichtigem eingeteilt.
Daraus ergaben sich folgende Kategorien in dieser Reihenfolge:
Das Historiengemälde
Das Porträt
Das Genrebild
Die Landschaft
Das Stillleben
Das „Grande genre“, die Historienmalerei, wozu auch biblische und mythologische Themen gehören, bildete den Spitzenreiter innerhalb der Hierarchie. Man nahm an, dass diese Werke eine moralische Botschaft am ehesten wiedergeben konnten als bspw. ein Genrebild oder ein Landschaftsgemälde. Auch gibt es bereits seit der Antike die Ansicht, dass die Darstellung der menschlichen Gestalt die höchste Form der bildenden Kunst sei, weshalb also Gattungen mit Menschen generell denen ohne Menschen höherwertig geachtet wurden. Da Historiengemälde oft auch bedeutende Ereignisse zum Thema haben, Schlachten, Kriege, Das Leben Jesu oder berühmter Gottheiten der Griechen, zeichnen sich die Künstler somit auch als Kenner der Geschichte aus.
Die Porträtkunst, die zweithöchste Gattung, umfasste in erster Linie das Malen von überlebensgroßen heroischen Personen für die Öffentlichkeit, obwohl sie sich auch für private Porträts in kleinerem Maßstab sowie für Selbstporträts eignete. Natürlich waren die abgebildeten Personen im künstlerischen Sinne „Bildwürdig“.
Die Genremalerei befasste sich mit Alltagsszenen, die von gewöhnlichen Menschen bevölkert wurden, obwohl sie auch Landschaften beinhalten konnten. Während Historien- und Porträtbilder idealerweise großformatig (und öffentlich ausgestellt) waren, handelte es sich bei Genrebildern um kleinformatige Gemälde für die häusliche Betrachtung. Vor allem die Niederländer haben sich in dieser Gattung einen Namen gemacht. Heute ist die damalige Annahme überholt, dass hier nur rein oberflächliche Szenen gezeigt werden. In vielen Bildern steckt auf den zweiten Blick eine tiefere Sinnschicht.
Die Landschaftsmalerei, die vierte Kategorie, bezeichnete Gemälde, deren Hauptthema die Darstellung einer landschaftlichen Ansicht (Landschaft, Meereslandschaft, Flüsse, Berge, Stadtbild usw.) um ihrer selbst willen war. Eine Landschaft brauchte keine Menschen, sie konnte durch sogenannte „Staffage-Figuren“ belebt werden, die die Umgebung beleben, aber keine Identität besitzen.
Die Stilllebenmalerei galt als das am wenigsten erhabene aller Genres. Typischerweise handelte es sich um die Darstellung von leblosen Gegenständen wie Blumen, Früchten, Lebensmitteln sowie Küchen- und Tischutensilien. Aber auch Tiere und Menschen konnten einbezogen werden. In der Darstellung von Gegenständen sah man keine schöpferische Leistung, da sie kaum Phantasie bedarf. Die Schule des holländischen Realismus war der oberste Vertreter der Stilllebenkunst.
Natürlich konnten sich Künstler mit einem kleinen Trick behelfen. Claude Lorrain bspw. war ein Meister darin, ausladende Landschaften zu zeigen, diesen dann in einer kleinen Ecke des Gemäldes ein schwer erkennbares Element hinzuzufügen und sein Gemälde damit, im Sinne der Akademie von einer „Landschaft“ in ein „Historiengemälde“ zu katapultieren. Hier sehen wir zum Beispiel „Apollo und Sybille“ – nicht erkannt ?
Im Laufe der Zeit hab es auch andere Deutungsversuche der Gattungen, aber diese war die am meisten verbreitete. Auch die Maße passten sich an diese Hierarchie an. Das Historiengemälde wurde oft Großformatig angelegt und wurde als am besten für die Öffentlichkeit geeignet angesehen. Mindere Gattungen wurden auf kleinere Leinwände gebannt; das Stillleben war üblicherweise das kleinste Format und für den häuslichen Gebrauch gedacht. Das strenge akademische Rangsystem bevorzugte daher bestimmte Künstler und löste, wie man sich denken kann, in Schulen erhebliche Kontroversen und Unzufriedenheit aus, welches schließlich auch zu Abspaltungen bestimmter Gruppen führte.