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Anselm Feuerbach: Das Gastmahl des Plato (erste Fassung)

von Carina Stegerwald

„Was ist es, das ihn angesichts einer reichen Literatur und ihrer Deutungen nach wie vor untersuchenswert erscheinen lässt?“[1] Diese Frage stellt sich Ekkehard Mai in seiner 2017 erschienenen Monografie zu Anselm Feuerbach und tatsächlich ist es spannend, weshalb bis heute so viele Menschen von Feuerbachs Gemälden beinahe magisch angezogen werden. Geht es euch genauso und habt ihr euch schon einmal gefragt, warum?


Ein Grund mag sein, dass Feuerbach wie nur wenige die Widersprüche seiner Zeit vereinte. Dabei war es vor allem das Bild des tragischen Künstlers, welches ihn prägte. Ein Künstler, bei dem Person und Werk unmittelbar miteinander verbunden sind.


Aufgrund der engen Verknüpfung zwischen Feuerbachs Werken und seiner Persönlichkeit werfen wir zuerst einen Blick auf seine Biografie. Der 1829 in eine mit Hochbegabten gesegnete Familie geborene Feuerbach zog als 15-Jähriger und ohne Schulabschluss nach Düsseldorf, um an der Kunstakademie zu studieren. Bald jedoch gefiel es ihm dort nicht mehr – er wurde von seinem Lehrer kritisiert und kritisierte daher diesen –, so dass er schon bald nach München wechselte. Hier offenbarte sich bereits das immer wiederkehrende Verhaltensmuster des euphorischen Aufbruchs zu etwas Neuem, sobald er Kritik erfahren hatte und bei sich selbst keinen Fortschritt sah. Feuerbach konnte durchaus als ein schwieriger, da ambivalenter Charakter beschrieben werden, der von sich selbst sowie seinem Talent überzeugt war und stets Lob erwartete. Blieb dies aus, war er gekränkt.

Weitere Stationen seines Lebens waren München, Antwerpen, Paris, Venedig und schließlich Rom, welche er als seine zweite Heimat bezeichnete und wo er letztlich seinen eigenen Stil entwickelte. Obwohl seine Jahre in Rom als seine Hauptschaffenszeit gelten, litt Feuerbach aufgrund fehlender Aufträge immer wieder an Armut und zudem an großer Einsamkeit. Hinzu kam, dass er sich mehr und mehr in die Rolle des unverstandenen, verkannten Genies zurückzog. 1873 siedelte Feuerbach nach Wien über, wo er eine Professur als Historienmaler an der Kunstakademie annahm. Dort stand er in einem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis zu dem jüngeren, erfolgreichen Künstler Hans Makart. Im Jahr 1880 starb Feuerbach unerwartet an einem Herzversagen. Mit diesem Wissen über Feuerbachs Leben betrachten wir nun die erste Version des Gastmahls des Plato.


Das Gemälde weist bereits im Titel auf die literarische Quelle der Darstellung hin, bei der es sich um einen jener Dialoge handelt, in welchem der griechische Philosoph Platon die Lehrmethoden und Meinungen seines Lehrers Sokrates aufzeigt. Konkret geht es darum, dass der junge Tragödiendichter Agathon zur Feier seines Sieges bei einem Autoren-Wettbewerb in sein Haus einlädt. Er und seine Freunde halten im Laufe des Abends jeweils eine Rede über den Gott Eros. In dem Moment, als Sokrates über dessen Wesen spricht, erscheint der erfolgreiche Feldherr Alkibiades mit seinem Gefolge. Sein Beitrag zur Diskussion ist ein Lob auf Sokrates, wobei er ihn mit dem Gott der Liebe gleichsetzt.


Feuerbach wählte für sein Gemälde den dramaturgisch wohl gehaltvollsten Augenblick: die Ankunft des Alkibiades mit einer Schar von Bacchanten. Nur spärlich mit pastellfarbenen Stoffen umhüllt, tragen die fünf Frauen und Männer sowie zwei Putti Weinranken auf den Köpfen und Fackeln in den Händen. So bewegen sie sich musizierend und tanzend in den Raum hinein. Im Gegensatz zur Fröhlichkeit und Bewegung der linken Bacchantengruppe stehen die Ruhe und Gelassenheit der Philosophen auf der rechten Seite des Bildes. Um einen länglichen Tisch auf Bänken sitzend, wirken die überwiegend älteren Männer ganz in ihr Gespräch vertieft, so dass sie die lärmenden Ankommenden kaum wahrzunehmen scheinen. Zwischen den beiden Gruppen, prominent in der Mitte des Gemäldes positioniert, streckt der aufrecht stehende Agathon seinen Gästen die rechte Hand zum Gruß hin. Auf seinen Sieg beim vorher stattgefundenen Wettbewerb – und damit auf den Anlass des Gastmahls – weist die in sein Haar gesteckte Lorbeerkrone hin.


Wie von Platon geschildert, spielt sich die Szene mit dem Aufeinandertreffen von Alkibiades und den Philosophen im Haus des Agathon ab, welches im Gemäldehintergrund durch eine reich bemalte Wand angedeutet ist. Die beschriebene Dreiteilung der Personen zeigt sich auch in der Architektur und wird zudem durch die Gestaltung des Fußbodens verstärkt, indem dieser mit seinem Muster die Zentralperspektive verdeutlicht und die einzelnen Akteure voneinander trennt. Interessant ist darüber hinaus die Zweiteiligkeit auf inhaltlicher Ebene. Genauer gesagt wurden von Feuerbach zwei Polaritäten auf den beiden Seiten des Gemäldes dargestellt. Während die linke Seite für Bewegung, Überfluss und gelebtes Leben steht, ist die rechte als Verkörperung von Ruhe, Kargheit und gedachtes Leben zu sehen. Somit symbolisieren Alkibiades mit seinem Gefolge das Dionysische und die Gruppe der Philosophen das Apollinische. In Feuerbachs Gastmahl vereinen sich die beiden Extreme in der Gestalt des mittig positionierten Agathon. Damit ist er als personifizierte Toleranz zu identifizieren.


Zuletzt ist vor allem auch die Farbgebung des Gemäldes äußerst wichtig, da die kühle, steinern wirkende Grautonigkeit damals sehr ungewöhnlich war und viel Kritik hervorrief. So erlitten die Zeitgenossen, welche „eine falsch-altmeisterlich gold-bräunliche Buntheit, den sogenannten Galerieton“[2] gewohnt waren, nahezu einen Schock beim Anblick des in gedämpft-kühlen Farben gehaltenen Gemäldes und reagierten mit Unverständnis: „Das Gastmahl ist ein wahres Monstrum, das von den Vertretern aller Kunstrichtungen einstimmig […] als eine Verirrung verdammt wird"[3]. Obwohl das Werk direkt aus der Ausstellung von einer Malerin gekauft wurde, war Feuerbach nach der niederschmetternden Bewertung seines Werkes tief verletzt und zog sich mehr denn je in die Position des unverstandenen Genies zurück. Für eine zweite Version des Gemäldes hat Feuerbach eine andere Lösung gewählt.


[1] Mai 2017, S. 13. [2] Ahlers-Hestermann [1944], S. 6. [3] Leitmeyer 2002, S. 25.

Literaturverzeichnis: Ahlers-Hestermann, Friedrich: Anselm Feuerbach. Das Gastmahl des Platon. Der Kunstbrief. Bd. 16. Berlin [1944]. Arndt, Maria Benedicta: Die Zeichnungen Anselm Feuerbachs. Studien zur Bilderentwicklung. Bonn 1968. Ecker, Jürgen: Anselm Feuerbach. Leben und Werk. Kritischer Katalog der Gemälde, Ölskizzen und Ölstudien. München 1991. Ecker, Jürgen: Poesie und Vernunft. In: Leitmeyer, Wolfgang: Anselm Feuerbach. Ausstellungskatalog. Ostfildern-Ruit 2002, S. 31-56. Keisch, Claude: Um Anselm Feuerbachs Gastmahl. Ausstellungskatalog. Berlin 1992. Lehmann, Doris: Historienmalerei in Wien. Anselm Feuerbach und Hans Makart im Spiegel zeitgenössischer Kritik. Köln (u.a.) 2011. Leitmeyer, Wolfgang: Anselm Feuerbach. Ausstellungskatalog. Ostfildern-Ruit 2002. Mai, Ekkehard: Anselm Feuerbach (1829-1880). Ein Jahrhundertleben. Köln; Weimar; Wien 2017.


Anselm Feuerbach - Das Gastmahl des Plato, 1. Fassung

1869, Öl auf Leinwand, 295 x 598 cm, Kunsthalle Karlsruhe


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