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Arnold Böcklin - Odysseus und Polyphem

von Alexandra Tuschka


Auf einem ungewöhnlich länglichen Format stehen sich hier zwei Lager entgegen. Auf der einen Seite ein griechisches Schiff mit Odysseus und seinen Gefolgsmännern, auf der anderen Seite ein wütender Zyklop mit dem Namen Polyphem. Sein eines Auge allerdings ist hier schwer zu erkennen, denn das braune Haar ist durch die vehemente Bewegung wild durcheinandergeraten. Wie wir gleich noch erfahren werden, kann er bereits nichts mehr sehen. Den Fels, den er kurzerhand zwischen die Finger bekam, schleudert er mit großer Wucht dorthin, wo er die Schiffe vermutet. Hektisch rudern die Männer davon. Währenddessen murmelt Polyphem einen Fluch. Einen Fluch, der Odysseus Reise stark beeinflussen sollte und diese zu der namengebenden "Odyssee" machte. Er beschwor seinen Vater Poseidon, Odysseus die Reise zu verwehren und all seine Gefährten zu töten.

Die Odyssee begann nach Ende des Trojanischen Krieges. Odysseus, der die Idee zum Trojanischen Pferd hatte, war als einer der großen Helden hervorgegangen. Und dennoch setzte nach 10 Jahren der Belagerung und der Erkenntnis, dass Troja gar nicht so reich und geschmückt war, wie es von den Kriegstreibern versprochen war, eine große Wehmut ein. Odysseus und seine Männer wollten einfach nur nach Hause - zu der schönen Insel Ithaka, die Odysseus als König beherrschte. Auch an dem Geschick der Götter zweifelte der Held, denn das grausame Töten und Zerstören Trojas erschien ihm nun sinnlos. Nachdem sie auf einer ersten Zwischenstation bei den friedliebenden Lotophagen ein wenig Zeit verbrachten, strandeten sie auf der Insel der Zyklopen - wilde, einäugige und sehr animalische Riesen. Polyphem, dem sie zugleich begegneten, besaß eine Schafsherde und sperrte die Männer ein, einige von ihnen verspeiste er kurzerhand. Zum Schlafen verfrachtete er allesamt (auch die Schafe) in eine Höhle, die er mit einem Stein verschloss. Dieser war so schwer, dass nur er selbst ihn bewegen konnte. Odysseus hatte noch zwei Säcke Wein von den Lotophagen dabei, mit denen er den Riesen betrunken machte und dann mithilfe seiner Männer blendete. Der blinde Riese bemerkte nicht, dass die Männer sich unter den Schafen festbanden und somit am nächsten Tagen auf die Weide und somit in die Freiheit gelangten.


Bei diesem Werk hat Böcklin das Thema ungewöhnlich umgesetzt. Die Spannung steigert er aufs Äußerste, indem er die ungleichen Gegner auf jeweils eine der langgezogenen Bildhälften positioniert. Während auf der linken Seite Panik ausgebrochen ist - verständlich - rast der Zyklop vor Wut. Die Ausbildung als Landschaftsmaler kam Böcklin bei diesem Werk zugute, das Studium des Meeres und der Wellenbewegungen sowie die schroffe Felslandschaft kommen gut zum Vorschein. Böcklins Bearbeitung mythologischer Themen bricht in gewisser Hinsicht mit vielen Traditionen. Bei ihm sehen wir keine idealen Helden mit stählernen Körpern, sondern entwaffnend menschliche Regungen.



Arnold Böcklin – Odysseus und Polyphem

Öl auf Holz, 1896, 66 x 150 cm, Museum of Fine Arts, Boston


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