von Sarah Baur
Der amerikanische Künstler Sargent – der vielmehr in Europa zuhause war - wurde vor allem für seine beeindruckende Porträtmalerei bekannt, in der impressionistische Einflüsse bemerkbar werden.
Einen „field day for Impressionist fireworks and scintillating brushwork“[1] unternahm Sargent auch in einem Porträt von Ellen Terry. In diesem Werk zeigte er die Schauspielerin in ihrer Rolle als Shakespeares berühmt-berüchtigte Lady Macbeth, die sie 1888 in einer Inszenierung von Henry Irivng spielte. Sargent hatte immer schon großes Interesse an Theater und Schauspiel und porträtierte daher gern auch deren Akteure. Von Ellen Terrys Erscheinung mit ihrem feurigen Haar war Sargent ebenso begeistert wie von Madame Gautreau (die er in seinem verwegenen Porträt Madame X verewigte). In einem Brief an die Kunstsammlerin Isabella Stewart Gardner schrieb er begeistert:
„Miss Terry has just come out in Lady Macbeth and looks magnificent in it, but she has not yet made up her mind to let me paint her in one of the dresses, until she is quite convinced that she is a success. From a pictorial point of view there can be no doubt about it – magenta hair!“[2]
So entstand auch Terrys Porträt nicht aus einem Auftrag heraus, sondern aufgrund des Künstlers dringendem Bedürfnisses ihr ein Gemälde zu widmen. Sargent stellte die Schauspielerin als Lady Macbeth in einer statischen und dramatischen Pose als Ganzfigur vor einem dunklen Hintergrund dar. Sie steht aufrecht und dem Betrachter leicht schräg entgegen gewandt im Bild und hält mit beiden Armen eine goldenen Krone – die des zuvor ermordeten König Duncans – über ihren Kopf. Ihr Gesicht ist blass und zeigt in der Mimik gleichzeitig eine Mischung aus Schrecken und Triumph. Terrys „magenta hair“, von dem Sargent so fasziniert war, ist in zwei knie-lange Zöpfe mit goldenen Bändern drapiert und bildet eine gelungene Komplementarität zu dem prächtigen Grün des Kleides. Das auffällig designte Kostüm nimmt einen Großteil des Gemäldes ein und erstreckt sich mit weiten Ärmeln und Umhang bis an den Bildrand. Die Kostümdesignerin Alice Comyns-Carr war für dieses meisterhafte Kleidungsstück verantwortlich. Es bestand aus grüner Seide mit blauen Lamettafäden, keltischen Ornamenten am Saum und war mit goldenen Gürteln dekoriert. Das Kleid barg aber noch eine ganz besonders pfiffige Eigenart: es war von oben bis unten mit tausenden orientalischen Käferflügeln bestickt, die das Bühnenlicht in verschiedenen Farben reflektierten und zum funkeln brachten.[3] Diese Flügel vermittelten eine gewisse Exotik des Gewandes und es stach deutlich unter den anderen Kostümen – selbst dem des Hauptcharakters Macbeth - hervor, so dass Oscar Wilde bemerkte:
„Lady Macbeth seems an economical housekeeper and evidently patronises local industries for her husband's clothes and servant’s liveries but, she takes care to do all her own shopping in Byzantium.“[4]
Das „Beetlewing Dress“ erlangte Kultstatus und ist nach mehrfachen Tragen und Restaurierungen heute in der Ellen Terry Collection im Smallhythe Place in Kent zu bewundern. Hier wird einem auffallen, das es wohl nicht mehr ganz so spektakulär und schillernd erscheint, dabei muss man bedenken, dass Henry Irvings Inszenierung des Macbeth Stücks über ein halbes Jahr lang und auch noch auf späteren Touren aufgeführt wurde und das gute Stück dementsprechend oft im Einsatz glänzte.
Sargent präsentiert uns das spektakuläre Kostüm allerdings noch in vollem Glanze und hat auch die Käferflügelchen deutlich für den Betrachter durch einzelne, grün schillernde Farbtupfer im Kleid sichtbar gemacht. Die Pose, in der Sargent Terry darstellte, entspricht zwar keiner Szene des Theaterstücks selbst, sie ist jedoch eine hervorragende Art der Inszenierung der Dramatik dieses Stücks, des Kostüms und vor allem der Schauspielerin.
So kann man sich vor diesem eindrucksvollen Porträt eine gute Vorstellung davon machen, wie imposant Ellen Terrys Auftritt als Lady Macbeth gewesen sein muss – den allein das Bild zieht einen sofort in seinen Bann.
Literatur:
Ormond, Richard / Kilmurray, Elaine (Hrsg.): Sargent. Portraits of Artists an Friends, London 2015
Maev Kennedy: Ellen Terry's beetlewing gown back in limelight after £110,000 restoration, in: The Guardian, URL: https://www.theguardian.com/culture/2011/mar/11/ellen-terry-beetlewing-gown-macbeth , 11 March 2011
Lambourne Lionel: The Aesthetic Movement, London 2011
[1] Richard Ormond zu Ellen Terry as Lady Macbeth, in: Ormond / Kilmurray (Hrsg.): Sargent. Portraits of Artists an Friends, S. 139 [2] Ormond zu Ellen Terry as Lady Macbeth, in: Ormond / Kilmurray (Hrsg.): Sargent. Portraits of Artists an Friends, S. 139: Brief vom 1. Januar 1889, Archive des Isabella Stewart Garnder Museum, Boston [3] Ormond zu Ellen Terry as Lady Macbeth, in: Ormond / Kilmurray (Hrsg.): Sargent. Portraits of Artists an Friends, S. 139 [4] Oscar Wilde in W. Graham Robertson in Time Was, 1931, S. 151, zitiert in Lambourne, Lionel: The Aesthetic Movement, London 2011, S. 207
John Singer Sargent - Ellen Terry as Lady Macbeth
1889, Öl auf Leinwand, 221 x 114,5 cm, Tate Britain, London
Abb. Schwarz Weiß: