von Alexandra Tuschka
Es ist, als könne man das Holz riechen, den Glanz des Tonkrugs wahrnehmen, über die faltige Haut der Alten fahren. Vier Jahre lang perfektionierte Leibl dieses Bild, um genau diesen Eindruck beim Betrachter hervorzurufen. Zwei ältere Frauen und eine junge sitzen auf einer Gebetsbank. Dank der Detailtreue ist der Innenraum in der Pfarrkirche in Berbling, nahe Leibls Heimatort, identifizierbar.
Allerdings gibt es einige kompositorische Unstimmigkeiten: Die junge Frau, in prachtvoller Miesbacher Gebirgstracht gekleidet, ist im Verhältnis zu groß geraten. Ihre Tracht setzt sich von der simplen gestreiften und rein schwarzen Bekleidung der älteren ab. Auch die Hände der drei Damen sind in ihren Größenverhältnissen zu groß dargestellt. Diese sind dadurch besonders auffällig und können inhaltlich aufeinander bezogen werden. So hält die jüngste das Buch in der Hand und scheint wenig teilnahmsvoll darin zu blättern. Die ältere Frau dahinter führt dieses zu sich heran, und scheint bereits einige Inhalte zu begreifen. Die letzte im Bunde benötigt kein Buch mehr, um eine Verbindung zu Gott herzustellen.
Womöglich ist in diesem Bild der Weg zum Glauben dargestellt. Auch wenn die drei Damen in keiner direkten Interaktion miteinander zu sehen sind, kann man sie so aufeinander beziehen: Das junge Leben ist noch irdisch verhaftet. Dies ist auch durch die prunkvolle Kleidung gut zu erkennen, auf die offensichtlich Wert gelegt wurde. Mittig geht die Hinwendung zum Glauben mit einer Ablenhung der irdischen Güter einher. Nicht umsonst erscheint die hinterste Frau vor einem weißen Fenster und ist somit die einzig wirklich, zumindest kompositorisch „erleuchtete“.
Wilhelm Leibl - Die drei Frauen in der Kirche
Öl auf Holz, 1887 - 1882, 113 x 77 cm, Kunsthalle in Hamburg