von Sarah Baur
Ende 1887 bekam der Künstler Sir Lawrence Alma-Tadema vom Bauunternehmer Sir John Aird – der auch einige Jahre später noch Alma-Tademas Schaffen in Ägypten unterstütze (s. Lawrence Alma-Tadema - Die Auffindung Mose) – den Auftrag zu The Roses of Heliogabalus. In diesem Werk tischt der Anglo-Niederländer dem Betrachter ein tückisches Spektakel aus dem skandalösen Leben des römischen Kaisers Heliogabalus (dt: Elagabal oder Elagabalus) auf. Denn was hier in so zarten und leichten Frühlingsfarben daher kommt und nach einem unterhaltsamen Trinkgelage unter der mediterranen Sonne aussieht, entpuppt sich als sadistische Inszenierung von Grausamkeit.
Auf einer etwas erhöhten und von Säulen umgebenen Plattform sieht man vor klarem blauen Himmel im Bildhintergrund eine Gruppe wohlhabender Römer typisch im Liegen dinieren. Interessiert und freudig gespannt blicken sie alle auf das Geschehen im Vordergrund. Der titelgebende Kaiser ist am linken Rand der Gruppe zu sehen. Mit hochwertigem goldenen Gewand ist der junge Herrscher eingekleidet und sein Kopf mit einer dazu passenden Tiara gekrönt. Für die Steigerung der authentisch antiken Wirkung – die Alma-Tadema äußerst ernst nahm - trägt die Dionysus Statue im Hintergrund bei und die Frau, die die Gäste mit dem Spiel einer antiken Doppelflöte (Auloi) unterhält. Der Bildvordergrund wird von einer Woge rosafarbener Rosenblüten regelrecht überschwemmt. In diesem Blütenmeer sind noch weitere Gäste des Festes zu erkennen, teilweise schon fast gänzlich in den rosa Wellen untergetaucht (links), teilweise nur leicht besprenkelt (rechts). Die Gesichter blicken verwirrt und fragend zwischen den Blüten hervor. Was passiert hier denn? Das wird sich auch der Betrachter fragen, nachdem er die ominöse Szene genauer unter die Lupe genommen hat.
Ein in der Tat grausames Ereignis ist in diesem Gemälde dargestellt, denn es illustriert eine horrende Erzählung aus der Historia Augusta (Kaisergeschichte) und demonstriert den fragwürdigen, teuflischen Humor des Kaisers Elagabalus. Seine Regentschaft von 218 bis 222 trat er bereits im jungen Alter von circa vierzehn Jahren an. Beliebt machte er sich in dieser Zeit nicht unbedingt und wurde immer mehr aufgrund seiner brutalen und dekadenten Eskapaden verachtet. Sein liederlicher Lebensstil schien so abnorm auszuufern, dass Elagabalus schließlich bei einer Meuterei, die von seiner eigenen Verwandtschaft angeführt wurde, ermordet wurde.
Alma-Tadema präsentiert uns in seinem Gemälde eine der berühmt-berüchtigten Erzählungen über Elagabalus. Dieser hatte einige Gäste zu sich eingeladen, um zusammen ein feucht fröhliches Trinkgelage zu veranstalten. Die Sache hatte nur einen Haken: als seine Gäste vom vielen Alkohol allmählich träge wurden, war nämlich der richtige Zeitpunkt für Elagabalus tödlichen Partytrick gekommen. Die vorher angebrachte Decke aus Stoffbahnen ließ er hernieder stürzen und gab so einen Schwall von Blütenblättern frei, der auf die Gäste herabströmte. Zunächst vielleicht ein hübscher Effekt, der die Gäste wohl möglich ins Staunen versetzte, doch der Blütenschwall schien kein Ende zu nehmen, so dass die Gäste einem tragischen Erstickungstod zum Opfer fielen.
Alma-Tadema verstand es dieses grausame Ereignis in einer so malerischen und farblichen Leichtigkeit zu präsentieren, dass der Betrachter erst einmal in die Irre geführt wird bevor er bei näherer Betrachtung erkennt was hier vorgeht und wohl genauso verdutzt ist wie Elagabalus Gäste es waren. Der Künstler verstand es in Elagabals Mimik auf subtile Weise dessen Genugtuung und herablassende Art darzustellen, da dieser zwar Interesse am Geschehen zeigt, jedoch nicht durch seine sterbenden Gäste wirklich emotional berührt scheint. Am linken Bildrand ist ein großes Tuch mit ein paar Schlaufen zu erkennen, das gerade von der Decke gelöst wurde und von dem noch der letzte Schwall an Blüten hinunter rutscht, so dass dem Betrachter erklärt wird, woher die vielen Blüten auf einmal herkommen.
Entgegen der historischen Quelle, in der die Rede von Veilchen ist, entschied sich Alma-Tadema in seinem Bild für Rosenblüten. Rosen galten in der beliebten viktorianischen Blumensprache je nach Farbe als Sinnbild für Gier und Wollust und schienen ihm daher möglicherweise thematisch eher passend als Veilchen, die Bescheidenheit und Anstand ausdrückten. Wie bereits erwähnt war Alma-Tadema ein Meister des Details und vor allem um die Authentizität seiner Bilder bemüht, nicht nur wenn es darum ging die Antike glaubwürdig zu präsentieren oder seine Darstellung des Marmors täuschend echt aussehen zu lassen. Auch die korrekte Darstellung der Blüten lag ihm am Herzen und er scheute daher nicht davor, sich vier Monate lang Rosenblüten aus der Riviera in das winterliche England schicken zu lassen.
Sir Lawrence Alma-Tadema - The Roses of Heligabalus
Öl auf Leinwand, 1888, 132,1 x 213,9 cm, Sammlung Juan Antonio Pérez Simón, Mexico