von Helen Bremm
Das frühe Werk Kandinskys „Landschaft mit roten Flecken“ entstand zu der Zeit, als er mit der Künstlerin Gabriele Münter in Murnau in Oberbayern lebte. Im Gemälde sehen wir eine Alpenlandschaft mit hochaufragenden Bergen vor einem dramatischen Himmel und zentral im Bild eine Dorfkirche mit aufragendem Turm. Das Motiv der Kirche, inspiriert von der Kirche in Murnau, taucht in vielen Werken Kandinskys aus dieser Zeit auf.
Kandinsky gilt als der „Vater der Abstraktion “, denn wie in diesem Werk deutlich sichtbar, befreit er Farbe von ihrer beschreibenden Funktion. Blau muss nicht länger den Himmel anzeigen, Grau die Berge, Grün die Wiese, sondern die Farben können Emotionen ausdrücken. Inspiriert von Malern der deutschen Romantik , drückt Farbe für den Künstler die Erhabenheit und Schönheit der Natur aus. Er hatte die Theorie, dass warme Farben, wie hier die roten Flecken, auf den Betrachter zugehen, wohingegen kalte Farben sich in die Leinwand zurückziehen. Dieser Effekt im Zusammenspiel mit dem Überlappen von Bildgegenständen vermittelt einen Eindruck von Dreidimensionalität, obwohl die Berglandschaft vor einem weißen flachen Hintergrund zu schweben scheint.
Mit diesem Werk leistet Kandinsky einen entscheidenden Beitrag dazu, dass Kunst nicht mehr länger treu die Natur imitieren muss. Dadurch drückt Kandinsky seine spirituelle und emotionale Bindung zu der farbenfroh musikalischen Alpenlandschaft aus. Durch diese Abstraktion steht er mit diesem Gemälde noch am Anfang. Seine Werke wurden zunehmend geometrischer und synthetischer.
Wassily Kandinsky - Landschaft mit roten Flecken, Nr. 2
Öl auf Leinwand, 1913, 117,5 x 140 cm, Sammlung Peggy Guggenheim in Venedig