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Zweite Schule von Fontainebleau - Gabrielle d’Estrées und eine ihrer Schwestern

von Alexandra Tuschka

Oha! Das ist aber eine skurrile Szene. Zwei blasse Frauen sitzen uns gegenüber, beide haben die Haare ähnlich eiförmig hochtoupiert und beide sitzen nackt in einer Badewanne. Sie blicken uns mit einem ähnlich neutralem Blick entgegen und auch den gleichen Schmuck haben sie angezogen: tropfenförmige Perlenohrringe. Die linke Frau, sie hat dunklere Haare, greift der blonderen, rechts, schamlos an die Brust und kneift in deren Brustwarze. Die Betroffene ist davon überhaupt nicht schockiert. Ihr rechter Arm liegt entspannt auf dem Wannenrand, die linke Hand hält einen Ring. Und es kommt noch besser: der Gemäldetitel verrät uns, dass wir es hier mit Schwestern zu tun haben wollen. Das irritiert den modernen Betrachter.

Auch die weitere Ausstattung des Bildes ist nicht gleich einzuordnen. Zu beiden Seiten flankieren schwere, rote Vorhänge den Bildraum. Wie auf einer Bühne sind sie nur in der Mitte aufgezogen und legen eine weitere Szene im Hintergrund frei. Dort sitzt eine Bedienstete und näht. Unter einem brennenden Kaminfeuer wurde ein Tisch mit einer grünen Decke belegt. Ein kleines umrahmtes Gemälde oder ein Spiegel ist neben der Nähenden zu sehen, und über dem Kamin ist ein kleiner Ausschnitt eines Gemäldes zu erkennen; hier sehen wir den nackten Unterkörper eines Mannes auf dem Boden sitzend. Dies könnte der heilige Hieronymus sein oder aber Johannes der Täufer, die beide häufig mit rotem Tuch in der Natur gezeigt werden.

Über den Maler des Werkes wird spekuliert, er wird der 2. Schule von Fontainbleau zugeordnet. Die rechte Dame ist als Gabrielle d’Estrées identifiziert, eine Mätresse und Beraterin Heinrich IV., dem französischen König von 1598 bis 1610. Links, die Schwester, ist demnach Julienne D‘Estreés. Die junge Gabrielle lernte den König mit 18 Jahren kennen, dieser, bereits 40 Jahre alt, war von ihrer Schönheit bezaubert. Gabrielle gebar ihm unehelich drei Kinder und hoffte, dass der König seine offizielle Frau Marguerite de Valois, die kinderlos blieb, verstoßen würde. Die Annullierung der Ehe Heinrichs IV. mit Marguerite war schon eingeleitet und die Hochzeit mit D’Estrées anberaumt, als sie am 10. April 1599 mit nur 28 Jahren starb.

Die anerkannteste Theorie zum Bild besagt, dass sie hier im Jahr 1594, mit dem gemeinsamen Sohn schwanger, gezeigt wird. Der Ring symbolisiert dann das Heiratsversprechen. Der Griff an die Brustwarze steht als Zeugnis für die Milch, und die Dienerin im Hintergrund näht bereits Kleidung für das neue Menschenkind.


Die Komposition, die wir hier sehen, war bei der Aristokratie in Frankreich sehr beliebt, so dass uns mindestens 7 sehr ähnliche Werke erhalten geblieben sind. Der eindeutige Vorläufer dieses Bildes ist Francois Clouet Portrait einer nackten Dame. In dieser wird häufig Diana von Poiters vermutet, eine weitere Mätresse, diesmal von König Heinrich II.. Die Ähnlichkeit beider Kompositionen ist unverkennbar: der rote Vorhang, die verführerische Badende, der Hintergrund, der kompositorisch fast identisch ist. Nur andere Personen als im ersten Bild beleben die Szene. Ein Kind wird von einer vollbusigen Amme gestillt, ein älteres klaut ein paar Früchte und die zweite Dienerin versucht, den schweren Krug zu heben.


Das Baden war ein aus der Antike übernommenes Privileg. Es war nicht so intim wie die Körperwäsche, sondern diente auch gerne dem gemeinsamen Zeitvertreib. Dann konnten duftende Pflanzen aufgegossen werden und man badete gemeinsam. Nun kann man auch die restlichen Motive ganz lebensnah einordnen: der Vorhang, „Pavillon“ genannt, verhinderte, dass zuviel Wärme der Badewanne ins Zimmer abgegeben wurde. Auf dem Tisch im Hintergrund wird das Badewasser am Kamin erhitzt. Freilich braucht es dann eine andere Person, die es eingießt, man kann ja nicht ständig selbst aufstehen. Dies wird im Vergleichswerk noch deutlicher, da die eine Amme den Krug mit warmem Wasser gerade herbeiträgt.


So ist mancher Betrachter im wahrsten Sinne des Wortes ent-täuscht, wenn er erfährt, dass hier keine sexuelle Liaison zweier Damen zu sehen ist, sondern ein sehr konkretes Zeugnis des Zeitgeschehens.

Unbekannt - Gabrielle d’Estrées und eine ihrer Schwestern

Öl auf Holz, um 1594, 96 × 125 cm, Musée du Louvre, Paris


Unbekannt - Portrait der Gabrielle d'Estrées

Öl auf Holz, Ende 16. Jahrhundert, Standort unbekannt


François Clouet - Dame im Bade

Öl auf Eichenholz, etwa 1571, 151,0 x 61,0 cm, National Gallery of Art, Washington

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